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Midlife Crisis: Männer in der Krise

30.06.2021 Sabrina Sailer

Irgendwann in der Lebensmitte kommt die Erkenntnis: Da bleibt nicht mehr viel Zeit bis zum Grab. Und plötzlich steht das bisherige Leben– und meist auch die Partnerschaft – eines Mannes auf dem Prüfstand. Es wird hinterfragt und ausprobiert, was im Leben noch lockt. Die Midlife Crisis ist für Männer zwar weniger hormonell bedingt wie bei Frauen, aber sie wirbelt das Leben trotzdem gehörig durcheinander.

Für den Partner kommen diese Veränderungen häufig sehr überraschend. Gestern war der Mann noch zufrieden mit Job, Haus und grösser werdenden Kindern. Heute zweifelt er am Karrierelevel, mag am liebsten sofort und ausgiebig Reisen und unbedingt noch den Motorradführerschein machen.

Das Symptom der Krise: Unzufriedenheit

Es trifft Männer zwischen 35 und 50 Jahren, mit Spielraum nach oben und unten, je nach Status und Einkommen. Die Symptome sind ein bisschen diffus und schwer zu greifen, aber vor allem Unzufriedenheit und Grübeleien sind es, die die Midlife Crisis vor allem ausmachen. Stimmungsschwankungen und eine gewisse Unsicherheit kommen noch dazu. Plötzlich scheinen die bisher getroffenen Entscheidungen für den Mann nicht mehr so klar, nachvollziehbar und lebenserfüllend.

Wenn man sich den Zeitpunkt der Midlife Crisis anschaut, ist das auch nachvollziehbar:

  • berufliche Karrierelevel sind meistens ausgereizt – Männer haben mit Mitte 40 und aufwärts oft das Ende der Karriereleiter vor Augen
  • Kinder sind, wenn sie vorhanden sind, teilweise schon aus dem Haus – plötzlich fehlen grosse Teile des bisherigen Alltags
  • falls keine Kinder vorhanden sind, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, sich endgültig dafür oder dagegen zu entscheiden
  • Routinen und feste Alltagselemente haben sich etabliert – sie scheinen unüberwindbar fix zu sein
     

Die Zeit scheint dem Mann davonzurennen. Plötzlich liegt nicht mehr das ganze Leben vor einem, sondern höchstens noch das halbe. Höchste Zeit, sich den Punkten auf der „Ich wollte ja eigentlich schon immer….“ zu zuwenden.

Sinnkrise und Lösungsansätze

Nicht jeder Mann greift in der Mitte seines Lebens zur Kündigung, wirft sich in Lederkleidung und begibt sich auf einen Roadtrip. Die Suche nach neuen Lebensaufgaben in Form von Hobbys ist dagegen ziemlich wahrscheinlich. Kenntnisse und Fähigkeiten werden in Angriff genommen, die bisher aus Zeitmangel aufgeschoben wurden. Hier findet sich dann der oft bemühte Motorradführerschein neben dem plötzlichen Interesse am Bergsteigen oder der Wunsch, doch noch mehrere Monate Auslandsaufenthalte für die Firma zu absolvieren.

Genau diese Bemühungen sollen die Gefühle von Unzufriedenheit und Rastlosigkeit bekämpfen. Wie und ob das gelingt, ist sehr unterschiedlich. Freiräume und die Akzeptanz durch die Partnerin sowie das Umfeld sind ein erster Ansatz, um dem Mann in seiner Krise beizustehen.

Das Älterwerden kompensieren – durch Seitensprünge

Seitensprünge, Affären und letztlich auch die Trennung fallen oft in die Phase der Midlife Crisis. Denn obwohl Männer noch bis ins hohe Alter hinein grundsätzlich zeugungsfähig sind, lässt die Leidenschaft in einer langjährigen Partnerschaft irgendwann nach. Mit den ersten Anzeichen der Krise setzt sich der Gedanke fest, dass eine neue, jüngere Partnerin hier Abhilfe schaffen könnte. Das stimmt zwar auch durchaus, wie betroffene Männer oft genug unter Beweis stellen. Sie fühlen sich – zumindest kurzfristig – jünger und unbeschwerter, die Leidenschaft ist wieder da, ganz wie früher.

Aber wer jahrelang in einer festen Beziehung ein inniges Vertrauensverhältnis aufgebaut hat, der schüttelt eben dieses gar nicht so leicht ab. Die Nähe zur Ex-Partnerin und zur Familie fehlt dann doch. Der Mann steckt zwischen zwei Welten fest: Sich selbst verwirklichen, alles erreichen, was ihm jetzt noch erstrebenswert erscheint. Oder sich auf das Erreichte und geschätzte besinnen und sich tatsächlich mit dem Älterwerden auseinandersetzen.

Letzteres ist die Hürde, die alle Männer auf dem Weg zur Lebenszufriedenheit bewältigen müssen. Frauen kämpfen im Rahmen der Wechseljahre vor allem mit körperlichen Beschwerden, die nur allzu schnell medikamentös eingestellt werden. Eine psychologische Betreuung täte dagegen beiden Geschlechtern recht gut, um sich mit dem Älterwerden und dessen Konsequenzen auseinanderzusetzen.

Männer in der Midlife Crisis – und die Partnerschaft?

Hatte Frau sich in der Partnerschaft eingerichtet, den routinierten Alltag akzeptiert und sich auf die kommenden Jahre gefreut, kann das Ganze durch die Midlife Crisis gehörig durcheinander gewirbelt werden. Der Partner ist schweigsam, zieht sich zurück – und verfällt in teilweise seltsam anmutende neue Verhaltensweisen.

Wenig hilfreich ist es

  • zu fordern, er möge sich zusammenreissen
  • seine neue Kleidung oder Frisur negativ zu kommentieren
  • bisherige Lebensziele als „kaum zu übertreffen“ zu deklarieren
     

Denn diese drei Punkte fordern es geradezu heraus, sich weiter auszuprobieren.

Forscher beobachten die Auswirkungen der Midlife Crisis ähnlich wie die der Pubertät: Es wird viel probiert, verändert, hinterfragt. Und manchmal werden Entscheidungen getroffen, die kaum als klug bezeichnet werden können. Allerdings trifft es nicht jeden Mann gleich schwer. Psychotherapeuten und Altersforscher geben an dieser Stelle Entwarnung: Ruhige Typen werden kaum plötzlich zum völligen Gegenteil mutieren. Wer schon immer eher expressiv und experimentell war, wird das auch in der Lebensmitte sein.

Schon ein zeitaufwendiges Hobby oder gefährlich erscheinende Ideen wie die Alpenüberquerung zu Fuss kann die Partnerschaft erheblich belasten. Wenn dann noch eine Affäre dazu kommt, ist es oft das Aus für die langjährige Beziehung. Enttäuschung und Schmerz über den Verrat der gemeinsam erlebten Jahre bleiben für die Partnerin, während der Mann häufig genug nach kurzer Zeit mit der jüngeren Affäre bricht. Psychologen raten an dieser Stelle, über Eheberatung und Trennungscoaching nachzudenken. Denkbar ist immerhin eine Wiederaufnahme bisherigen Beziehung. Ob beide Partner dazu die Kraft und den Wunsch haben, ist allerdings ganz und gar individuell.

Der Single-Mann in der Midlife Crisis

Und dann gibt es natürlich noch den Single-Mann, der sich bisher in seinem Leben gut aufgehoben fühlte. Die Midlife-Crisis trifft auch ihn, allerdings aus einer ganz anderen Ecke. Torschlusspanik trifft es wohl am besten: Er kann zwar noch viele Jahre lang Kinder zeugen, aber die Suche nach der passenden Partnerin wird eher schwieriger als leichter. Schliesslich ist der Mann ab Mitte 40 und aufwärts für die Familiengründung schon etwas spät dran, wenn er eine ebenbürtige Partnerin wünscht. Letztere hat sich wahrscheinlich bereits entweder mit ebenfalls Mitte 40 auf ein Leben ohne Kinder eingestellt – oder bringt aus erster Ehe bereits Kinder mit, wünscht also keine weiteren mehr.

Die Angst vor der Einsamkeit im Alter treibt ihn an, sich schnellstens mit Frau und Kind davor zu schützen. Gestiegene Ansprüche an Partnerin und Beziehung führen allerdings oft dazu, dass sich die Suche lang hinzieht. Was wiederum die Krise samt Symptomen verstärkt, weil sich das Gewünschte scheinbar immer weiter entfernt.

Beispiel-Checkliste: Ist das schon die Midlife Crisis?

Es gibt einige Fragen, die bei der Einordnung der aktuellen Lebenssituation helfen:

  • Erstickst du (gefühlt) in Routine?
  • Wünschst du dir, endlich mal etwas komplett Neues zu erleben?
  • Fragst du dich, ob es nicht noch „mehr“ im Leben geben müsste?
  • Hinterfragst du seit Kurzem Entscheidungen, die du im bisherigen Leben getroffen haben?
  • Suchst du den Sinn in deinem Leben?
  • Fantasierst du ab und an darüber, einfach „auszusteigen“ und noch mal völlig neu anzufangen?
  • Engt dich dein Leben – so, wie es jetzt ist – ein?

Wer die meisten Fragen mit „Ja“ beantworten kann und im entsprechenden Zeitfenster zwischen 35 und 50 Jahren ist, ist wahrscheinlich auf dem Weg in die Sinnkrise. Oder bereits mitten drin.

Die Auswege und zurück zu einem erfüllten, begeisternden Leben sind zwar sehr individuell, aber einige Vorgehensweisen haben sich dann doch bewährt.

  1. Mit dem Partner darüber sprechen, was sich gerade verändert
  2. Gemeinsam Träume und Ziele finden, die sich mit der Partnerschaft und dem gemeinsamen Leben vereinbaren lassen
  3. Bewusst und langsam Veränderungen herbeiführen, statt alles über den Haufen zu werfen
     

Und ganz zuletzt: Das Älterwerden als das akzeptieren, was es ist: unvermeidlich.