Beziehung retten: Gehen oder bleiben? – Wenn die Partnerschaft vielleicht nicht zu retten ist
Eine schmerzliche Frage, die sich in Zeiten von Beziehungskrisen, nach einem aufgedecktem Seitensprung oder bei sich auseinander entwickelnden Lebensentwürfen irgendwann stellen kann. Sollte man die Beziehung retten – oder eine Trennung wagen? Überwiegen die Gemeinsamkeiten inklusive der Liebe zueinander – oder ist alles in der Krise verloren gegangen?
Diese Frage, ob die Beziehung noch zu retten ist, die kommt selten einfach aus dem Nichts heraus. Viel häufiger haben sich Krisen in den Beziehungsalltag eingeschlichen. Im Grunde ganz normal, schliesslich verändert sich eine Beziehung im Laufe der Zeit auch.
- Gerade noch frisch Verliebte straucheln bei dem Versuch, sich in der nächsten Beziehungsphase zurechtzufinden.
- Eltern bemühen sich darum, neben der neuen Elternrolle auch die Beziehung zueinander nicht zu vergessen.
- Langjährige Paare haben manchmal aufgrund der vielen gemeinsamen Jahre etwas die Liebe aus den Augen verloren, der Alltag macht einen dann eher zu Freunden anstelle von Liebenden.
Nach einem Streit oder einer aufgedeckten, vielleicht sogar gebeichteten Affäre ist dann diese schmerzliche Überlegung da. Lohnt es sich, der Beziehung noch eine Chance zu geben? Oder ist eine Trennung die vernünftigere, vielleicht sogar die einzige Lösung? Die Antwort darauf fällt vielen Paaren eher schwer, vor allem, wenn man bereits viel Zeit miteinander verbracht hat oder wenn Kinder davon betroffen sind.
Um sich auf diesem gefühlten Minenfeld zurechtzufinden, gibt es drei Kernfragen, die man für sich selbst beantworten kann:
- Warum sollte ich bleiben?
- Warum sollte ich gehen?
- Was hält mich jeweils davon ab?
Sich die Antworten – auch schriftlich – vor Augen zu halten, kann etwas Klarheit in die eigene Gefühlswelt bringen. Gleichzeitig macht es auch den Schmerz und die eigenen Verletzungen offensichtlicher, die teilweise lange ignoriert worden sind. Im Verlauf langer Paarbeziehungen können sich solche Verletzungen unbemerkt einschleichen, um dann immer wieder in Form von Vorwürfen und unterschwelligen Beleidigungen aufzutauchen – auch dann, wenn man sich eigentlich von ganzem Herzen liebt.
Wenn die Beziehung unrettbar ist: Eindeutige Gründe, um zu gehen
Psychischer und physischer Missbrauch sollten immer ein Grund sein, weswegen die Beziehung beendet wird. Manchmal dauert es seine Zeit, beispielsweise bei einer emotionalen Erpressung und im Umgang mit einem Narzissten, bis dieses kritische Verhalten des Partners durchschaut worden ist. Aber hierfür und auch für körperliche Gewalt gilt: Um weiteren Schaden an Leib und Seele zu verhindern, ist eine Trennung wichtig.
Emotionale Erpresser und Narzissten können das nur schwer akzeptieren und setzen häufig alles daran, um die Beziehung auch nach einer Trennung noch zu retten. Im Interesse der eigenen Gesundheit ist es allerdings angeraten, sich darauf eben nicht wieder einzulassen. Professionelle Unterstützung in Form von Therapeuten und auch staatliche Hilfen für Partner nach einer gewaltvollen Beziehung unterstützen dabei, sich selbst vor einer Rückkehr zu schützen.
Nach einer aufgedeckten Affäre scheint die Beziehung im ersten Moment ebenfalls nicht mehr zu retten zu sein. Ursachenforschung und intensive Gespräche können allerdings dabei helfen, die Motive für den Fremdgeher zu erkennen. Denn auch wenn es schmerzlich für den Betrogenen ist, so liegt der Grund für eine Affäre meistens an einem Mangel, den der betrügende Part erlitten hat.
Sprich: Irgendetwas hat der/die Betrügende in der Beziehung, im Umgang mit seinem Partner oder seiner Partnerin, vermisst. Auch wenn die Verletzung durch den Seitensprung meist massiv und schwerwiegend ist – den Grund zu kennen, kann bei der Entscheidung für oder gegen eine neue Chance hilfreich sein:
- Fühlte sich der Partner „nicht gesehen“?
- War die Paarzeit gefühlt zu knapp bemessen?
- Kamen körperliche Nähe und Sex in der Vergangenheit zu kurz?
- Kam es häufig zu Streit und Konflikten in der Beziehung?
- Stand der Fremdgeher unter starkem Stress oder Druck von aussen?
- Waren Alkohol oder andere Drogen beim Seitensprung im Spiel?
Nichts davon taugt als Entschuldigung für einen One-Night-Stand oder eine waschechte Affäre. Es bietet aber Ansätze, um das Geschehene zu betrachten und abzuwägen, in welcher Form es möglich sein könnte, die Beziehung dann doch noch zu retten.
Wenn die Beziehung noch zu retten ist – Gründe, um zu bleiben
In jeder Beziehung rutscht man in Phasen, die sich schwieriger als die vorherigen Etappen zeigen. Entweder, weil man aus der Verliebtheitsphase direkt in den Alltag wechselt. Oder auch, weil man nach vielen Jahren als Eltern mit zahlreichen Verpflichtungen scheinbar ganz plötzlich mit erwachsenen Kindern die eigene Partnerschaft neu entdecken muss.
Den Eintritt in so eine neue Phase zu meistern, das macht eine starke Beziehung erst aus. Trotzdem kommen manchmal Gedanken auf, ob es sich lohnt und die Beziehung so in der Form noch tragbar ist. Dabei handelt es sich nur um eine ganz normale Krise – also etwas, das zwar den Alltag holprig werden lässt, aber nicht an den Grundfesten der eigentlichen Beziehung rütteln sollte!
In diesen Umbrüchen bemerkt man allerdings oft erst so richtig, welche Konfliktfelder mehr Beachtung benötigen. So können beispielsweise
- unterschiedliche Ansprüche an Karriere & Arbeitsleben,
- verschiedene Lebensentwürfe in Bezug auf Familie & gemeinsame Kinder,
- gegenläufige Freizeit- & Hobbywünsche
aus der gerade noch so geruhsamen Beziehung eine regelrechte Sturmfahrt werden lassen. Kommunikation ist der Dreh- und Angelpunkt, ohne geht es in solchen Umbruchphasen nicht. Gemeinsam zu besprechen, was man sich vorstellt, wünscht und wie das gemeinsam erreicht werden kann, ohne dass einer zu sehr zurückstecken muss – das macht stabile und glückliche Beziehungen aus.
Anzeichen dafür, dass man an der Beziehung weiterhin festhalten und daran arbeiten kann, sind zum Beispiel
- bestehende Gemeinsamkeiten & Werte, auf die beide Partner setzen und vertrauen
- der Wunsch, weiterhin Zeit miteinander zu verbringen – auch dann, wenn es schwierig und anstrengend wird
- weder Angst noch Misstrauen vor- und gegeneinander belasten die Beziehungen
- Liebe als verbindendes Element ist – trotz aller Konflikte oder Missverständnisse – immer noch greifbar da
- Krisen und schwierige Zeiten werden gemeinsam angepackt, zusammen werden Lösungen gesucht und auch gefunden
Weniger gut sind Vorgehensweisen, bei denen der Partner oder die Partnerin ausschliesslich das eigene Glück anvisiert, seine oder ihre Pläne ohne weitere Absprachen durchsetzt und erwartet, dass der oder die Liebste alles mitträgt. So verliert sich das Gemeinschaftsgefühl und die Basis, auf der Liebe erst wirklich gedeiht. Was bleibt, sind frustrierte und enttäuschte Partner, die sich von der Beziehung mehr erhofft hatten – und letztlich nur noch die Trennung als Rettung daraus sehen.
Mit paartherapeutischen Beratungen, aber vor allem mit ehrlichen Gesprächen lassen sich Streitgründe und Konfliktsituationen aufarbeiten. Für manche Paare muss das am besten schriftlich passieren, um sich gegenseitig genügend Raum für alte Verletzungen und ihre Gefühle zu lassen. Für andere ist es hilfreich, sich klare Zeitvorgaben zuzugestehen: Jeder darf sich zehn Minuten lang alles von der Seele reden, während ihm der andere zuhört. Das Gehörte darf unkommentiert stehen bleiben, um direkt neu entstehenden Streit zu vermeiden. Im Anschluss darf der andere sich dann ausbreiten und seine Sicht beschreiben. Sind solche Wege nicht ohne Streit machbar, kann ein externer Zuhörer in Form einer Mediation helfen, sich auf die Wünsche und Bedürfnisse des jeweils anderen einzulassen, um zurück zur gemeinsamen Basis der Beziehung zu finden.
Ist das wirklich das Ende? Auseinandergelebt & getrennt
Liebende, die sich auseinandergelebt haben, haben irgendwann in der Beziehung das Miteinanderreden eingestellt. Gerade Eltern kennen das, denn sie besprechen zwar sehr viele wichtige Dinge. Beispielsweise, wer wann die Kinder bringt oder abholt, welche Schulsachen oder Arzttermine zu organisieren sind, wie die Ferienzeiten mit der Arbeitszeit organisiert werden könnte und vieles mehr.
Aber miteinander, also einander zugewandt und auf Paarthemen bezogen, wird viel zu wenig gesprochen. Die Zeit dafür fehlt und oft auch die Energie, zusätzlich zu allem anderen auch noch an der Partnerschaft zu arbeiten. Und so kommt es dann plötzlich und überraschend – wenn sich aus der einst so grossen Liebe ein Nebeneinanderherleben entwickelt hat, mit dem schliesslich wenigstens einer nicht mehr zufrieden ist – dass man sich trennt.
Nach vielen gemeinsamen Jahren, nach einer Basis als Familie mit Kindern und allem, was daran hängt, ist das schwer zu verarbeiten. Der Gedanke, ob sich nach dieser oft genug sehr abrupten Trennung die Beziehung doch noch retten liesse, ist verständlich. Tatsächlich hängt es ganz entscheidend davon ab, ob
- der sich trennende Partner denn überhaupt das gemeinsame Leben und die Beziehung vermisst – und sich nur wegen den eigentlichen Ursachen nicht weiter als mit der Trennung zu helfen wusste
- es tatsächlich so gar keine Anzeichen für eine Beziehungskrise gab – und wer sie wie bewältigen wollte
Trennt sich der eine ohne jede Vorankündigung und ohne weitere Reue zu zeigen, ist die Beziehung wahrscheinlich kaum noch zu retten. Haben beide die Anzeichen zwar bemerkt, konnten aber ohne Hilfe von aussen nicht damit umgehen und wird die Trennung im Nachgang auch bedauert, dann ist da noch Hoffnung.
Die gute Nachricht lautet: Auseinanderleben und Trennen muss kein absolutes Beziehungsende bedeuten. Die weniger gute Nachricht ist dagegen, dass es viel Arbeit bedeutet, sich nach einer Trennung wieder aneinander anzunähern.
Da sind plötzlich so viele Punkte zu beachten: Manchmal hat sich ein Partner bereits ein komplettes und vor allem anderes Leben aufgebaut. Gerade in der Midlife Crisis wird dann ein ganz und gar gegensätzlicher Lebensentwurf verfolgt. Statt Häuschen am Stadtrand, gutem Job und viel Familienzeit wird daraus dann die Loftwohnung mitten in der Innenstadt, ein teures Auto und häufige After-Work-Partys. Wie soll sich der zurückbleibende Partner da zurechtfinden?
An dieser Stelle ist die grosse Frage die, ob man es denn wirklich miteinander versuchen will – und zu welchen Bedingungen. Was vom alten Leben sollte bleiben, was kann vom neuen Leben als Input für die Beziehung gelten? Welche Zugeständnisse sind – und das beiderseits – möglich, welche absolut indiskutabel?