Vergleichsstudie: Schweizer Männer weniger am Beruf und mehr an der Familie interessiert als Deutsche und Österreicher
Für die Umfrage wurden im Mai 2015 in der deutschen und französischen Schweiz 1‘000 Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Sie zeigt unter anderem, dass die Männer in der Schweiz zum Teil völlig andere Prioritäten im Leben haben als ihre Altersgenossen in Deutschland und Österreich, wo die bevölkerungsrepräsentative PARSHIP-Studie parallel durchgeführt wurde.
Auf die Frage, in welcher beruflichen Situation man(n) mit Kindern das erfüllteste Leben hat, antworteten in der Schweiz 54% der 18- bis 39-jährigen und 52% der 40- bis 69-jährigen Männer: „Teilzeit berufstätig“. In Deutschland sehen dies nur 37% (18–39 Jh.) beziehungsweise 27% (40–69 Jh.) so. Und in Österreich sind es sogar lediglich 28% (18–39 Jh.) beziehungsweise 25% (40–69 Jh.).
In unseren Nachbarländern geht ein erfülltes (Familien-)Leben für den männlichen Teil der Bevölkerung immer noch am ehesten mit einer Vollzeit-Berufstätigkeit einher. Dies steht in Deutschland für 60% der 18- bis 39-Jährigen und 69% der 40- bis 69-Jährigen auf Platz 1, in Österreich gilt dies für 68% (18–39 Jh.) beziehungsweise 71% (40–69 Jh.). Demgegenüber wünschen sich in der Schweiz neben ihrer Familie nur noch 47% der 18- bis 39-Jährigen und 43% der 40- bis 69- Jährigen eine Vollzeit-Beschäftigung.
Passend dazu belegen Arbeit/Karriere sowie Bildung/Ausbildung bei Schweizer Männern nur die hintersten Plätze ihrer Prioritätenliste. An erster Stelle kommen für sie Partnerschaft, Kinder und Familienplanung sowie die Gesundheit.
Vor allem Männer unter 40 streben in ihrem Leben in erster Linie nach Spass und Unterhaltung (39%), „Freiheit und Unabhängigkeit“ (37%) sowie „Ruhe und Ausgeglichenheit“ (31%). „Erfolg, Karriere und Reichtum“ wird demgegenüber noch von 26% als wichtiges Lebensziel angegeben. „Fleiss, Ehrgeiz, Leistung“ zählen nur noch für 9%, und „Ruhm und Anerkennung“ sind mit 3% als erstrebenswerte Zielsetzung nahezu „out“.
„Wohlfühlgesellschaft“ mit Hang zu traditionellen Werten
Für Dr. Dietmar J. Wetzel, Soziologe mit Forschungs- und Lehrtätigkeit an den Universitäten Bern und Tübingen, ist die Entwicklung in der Schweiz beunruhigend. „Wir sehen eine Vermischung von Werten. Auf der einen Seite haben wir die Wohlstands- und Erbengesellschaft, die zum grössten Teil in sicheren wirtschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und es etwas ruhiger angehen will“, sagt Wetzel. „Dennoch nehmen Verunsicherung und Zukunftsängste zu, was sich in einer vermehrten Suche nach Halt in traditionellen Werten wie Familie, Liebe und Kindern äussert.“
Wenn es nach dem Willen ihrer Väter geht, soll sich an dieser Lebenseinstellung auch bei den Kindern nichts ändern. So antworteten auf die Frage, welche Werte den Kindern in der heutigen Zeit vor allem vermittelt werden sollten, 59% der befragten Männer in der Schweiz „Mut, Selbstvertrauen, Zivilcourage“ und 49% sagten „Geborgenheit und Wärme“.
Werte wie „Fleiss, Ehrgeiz und Leistung“ nannten demgegenüber nur 34% und „Erfolg, Reichtum, Karriere“ erwähnten nur 11% der Befragten als wichtige Werte.
Männer im Einklang mit den Vorstellungen der Schweizer Frauen
Positiv für die Männer in der Schweiz: Ihre Wünsche und Vorstellungen decken sich mit jenen der Frauen hierzulande. Auch diese wünschen sich am meisten einen Partner, der nur noch teilzeitmässig arbeitet: 62% der Frauen in der Schweiz zwischen 18 und 39 Jahren sehen dies als erstrebenswert, bei den 40- bis 68- Jährigen sind es 58%.
In Deutschland und Österreich schaut dies völlig anders aus. In Deutschland wünschen sich 72% der Frauen zwischen 18 und 39 Jahren einen Mann, der „Vollzeit“ arbeitet, und bei den 40- bis 68-Jährigen begrüssen dies ebenfalls 71%. In Österreich finden 63% der 18- bis 39-jährigen und 72% der 40- bis 68-Jährigen Frau- en, der Familienvater solle „Vollzeit-berufstätig sein“.
Entsprechend ist bei den Frauen in den beiden Nachbarländern auch der eigene Berufswunsch weniger weit verbreitet als in der Schweiz. Markant sind die Unter- schiede vor allem bei jüngeren Frauen. So sehen sich in Deutschland 17% der 18- bis 39-Jährigen am liebsten in der Rolle der „Hausfrau und Vollzeitmutter“, und in Österreich wünschen sich dies in der gleichen Altersgruppe sogar 22%.
Demgegenüber erachten es in der Schweiz nur noch 11% der Frauen zwischen 18 und 39 Jahren als erstrebenswert, sich voll auf eine Rolle als Hausfrau und Mutter zu konzentrieren. Die meisten Frauen in dieser Altersgruppe, nämlich 87%, wünschen sich stattdessen neben ihrer Familie eine Teilzeitarbeit.
Das „liebe Geld“ bleibt wichtig
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Männern und Frauen in der Schweiz betrifft das Finanzielle: Fast allen Männer (93%) und Frauen (92%) ist ihre finanzielle Unabhängigkeit „eher bis sehr wichtig“. Darum soll der Traumjob den unter 40-Jährigen in erster Linie ein gutes Gehalt bieten, gefolgt von Spass, einem netten Umfeld und viel Abwechslung. Am wenigsten gefragt sind in dieser Altersgruppe fixe Arbeitszeiten oder internationale Jobs mit häufiger Reisetätigkeit, weil sie mit einem ausgefüllten Familien- und Privatleben schlecht vereinbar sind.
„Die Romantisierung der Partnerschaft und der Familie und der Rückzug ins Private sind zwar gut für die gesellschaftliche Reproduktion. Doch wie nachhaltig sie für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft oder für die Emanzipation der Frau ist, bleibt abzuwarten“, meint Soziologe Wetzel. A
Immer mehr Singles – Internet für Partnersuche jetzt #1
Obwohl eine Partnerschaft der Wunschtraum der meisten Männer und Frauen ist, gibt es in der Schweiz trotzdem immer mehr Singles. In der aktuellen Erhebung gaben 31 Prozent der Befragten an, ohne Partner zu sein. Die meisten von ihnen ungewollt: Nur 9 Prozent von ihnen gaben gemäss der jüngsten bevölkerungsrepräsentativen Studie von PARSHIP.ch an, auch in Zukunft nicht an einer neuen Partnerschaft interessiert zu sein. Die meisten Singles in der Schweiz sind jünger als 40 und leben in einem urbanen Umfeld.
Bei der Partnersuche haben sich die Prioritäten geändert: Erstmals wurde auf die Frage, wo man heutzutage einen Partner oder eine Partnerin kennenlernt, das Internet (62%) an erster Stelle genannt. Knapp dahinter folgten „Vermittlung durch Freunde“ und „Berufliche Kontakte“ (je 61%) und „Im Ausgang“ (58%).
Über die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer (54%) kann sich vorstellen, selbst einen Partner über das Internet zu suchen. Von den 60% Singles, die offen für eine neue Partnerschaft sind, gibt ein Drittel (35%) an, in den letzten 12 Monaten das Internet für die Partnersuche ausprobiert zu haben. Und bereits jeder und jede fünfte Befragte (19%) zwischen 18 und 69 Jahren hat schon jemanden über das Internet kennengelernt – Tendenz steigend.