Die #MeToo Debatte und fehlender Mut hindern Schweizerinnen und Schweizer am Flirten

06.02.2020 Katharina Hemmelmair
Jede dritte Schweizerin und jeder fünfte Schweizer flirtet nie und hat auch kein Interesse daran. Und wer es doch versucht wartet eher darauf, angeflirtet zu werden statt selbst den ersten Schritt zu wagen. Zudem verunsichert die #MeToo Debatte vor allem die Schweizer Männer: ein Viertel ist der Meinung, dass die Erotik und die Lust aufs Flirten verloren gehen. Dies hat eine neue, repräsentative Studie der Online-Partneragentur Parship.ch bei 1‘500 Frauen und Männern in der ganzen Schweiz ergeben.

Zürich,

Ist die Schweiz tatsächlich ein Land von Flirtmuffeln, wenn jede dritte Schweizerin und jeder fünfte Schweizer nie flirtet und auch kein Interesse daran hat? Nicht ganz, wie die unter 30-Jährigen zeigen. In dieser Alterskategorie flirtet mehr als die Hälfte, und dies sogar gerne: 21% sind überzeugt, dies auch gut zu können, 16% wünschen sich, noch besser darin zu sein, während weitere 17% ihre Flirtkompetenzen dabei eher kritisch einschätzen. Jeder Fünfte würde gerne flirten, getraut sich aber nicht oder weiss nicht, wie er oder sie es anstellen soll. Auch ist diese Alterskategorie mutiger, wenn es darum geht, beim Flirten den ersten Schritt zu machen (34% vs. Gesamtergebnis: 28%).

Grundsätzlich wollen die Meisten angeflirtet werden, anstatt selbst den ersten Schritt zu wagen: Am häufigsten lächeln sie jemanden an (58% Frauen, 46% Männer), werfen lange Blicke zu (24% Frauen, 21% Männer) oder gehen näher an die Person heran (22% Frauen, 16% Männer), in der Hoffnung, bemerkt und angesprochen zu werden. Die Mutigeren sprechen das Gegenüber mit einem guten Spruch an (Männer 29%, Frauen 13%), stellen sich vor (Männer 29%, Frauen 11%) oder laden auf einen Drink ein (Männer 25%, Frauen 7%).

Frauen sind heikel, Männer praktisch schmerzfrei

Wer angeflirtet wird, flirtet zurück, wenn ihm oder ihr die Person gefällt (80%). 72% der Frauen haben aber keine Lust auf jemanden, den sie nicht sympathisch finden (Männern: 56%). Unabhängig von Alter und Geschlecht: Rund die Hälfte aller Befragten reagiert auf das Flirten abweisend, wenn sie die Person nicht attraktiv finden. Vor allem Frauen reagieren negativ, wenn sie plump angebaggert werden (62%) oder das Gefühl haben, dass der Flirt einzig und allein dazu dient, sie ins Bett zu kriegen (54%). Männer haben damit weniger Mühe: Plumpes Anbaggern finden nur 28% schlecht und lediglich 14% verhalten sich abweisend, wenn die Frau eindeutige Zeichen gibt.

Dazu Parship-Psychologin Dania Schiftan: „Je unbeschwerter und spielerischer man das Flirten angeht, desto leichter fällt es, sein Gegenüber auf sich aufmerksam zu machen. Denn Flirten ist wie ein Spiel, zum Beispiel Fussball: Man schiesst viel häufiger aufs Tor, als dass man trifft. Wenn man jedoch die Erwartung hat, dass jeder Schuss ein Treffer sein muss, dann ist man frustriert und denkt, man macht was falsch.“

Kommt hinzu, dass die Rollenbilder von Frauen und Männern einem so grossen Wandel unterworfen sind, dass viele gar nicht mehr wissen, was akzeptabel ist und was nicht. Dies zeigt auch die aktuelle Befragung: Rund jeder sechste Mann und acht Prozent der befragten Frauen gaben an, dass ihr Flirtverhalten durch die #MeToo-Debatte beeinflusst wird (der öffentlichen Debatte über Sexismus und sexualisierte Gewalt, ausgelöst durch die Weinstein-Affäre ). 33% dieser Männer wissen nicht mehr genau, was beim Flirten akzeptabel ist und was nicht und 26% von ihnen finden, dass die Erotik und die Lust aufs Flirten verloren gehen.

Alles klar oder alles unklar mit #MeToo?!

Auch 20% der Frauen sind etwas verunsichert, was noch erlaubt ist und was nicht. Es gibt aber auch die umgekehrte Sichtweise: 35% finden, dass seit der Debatte die Regeln klarer sind und das Flirten deshalb auch einfacher geworden ist (34%). Dieser Beurteilung schliessen sich allerdings nur 10% bzw. 13% der Männer an.

Für Parship-Psychologin Dania Schiftan ist Flirten ein Spiel mit Nähe und Distanz. „Erfolgreiches Flirten kann allein schon ein Lächeln sein, das man einem anderen quer durch den Raum zuschickt. Beginnen kann man also damit, dass man anderen Menschen an öffentlichen Orten einfach in die Augen schaut. Eine weitere Möglichkeit ist ein unverfängliches Gespräch oder ein ernstgemeintes Kompliment im Tram oder Zug. Wer immer wieder seine Hemmungen vor Fremden etwas abbaut, kommt im entscheidenden Moment weniger unter Druck.“

 

Über die Studie: Die Studie wurde vom 12. bis 30. Dezember 2019 vom digitalen Markt- und Meinungsforscher Unternehmen marketagent.com durchgeführt. Befragt wurden 1500 Frauen und Männer von 18 bis 69 Jahren in der Schweiz (Westschweiz, Raum Zürich, Raum Bern, Ostschweiz, Mittelland, Zentralschweiz, Nordwestschweiz und Graubünden).